olli|8. März 2021|5 Minutes

Frauen verdienen noch immer weniger als Männer – auch im gleichen Job. In nur wenigen europäischen Ländern ist die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen so groß wie in Deutschland. Jedes Jahr werden erneut alarmierende Zahlen veröffentlicht.



Die aktuelle Erhebung des Statistischen Bundesamt zeigt:

Frauen in Deutschland verdienen 19% weniger als Männer

Dieser Wert hält sich seit Jahren relativ konstant. Der durchschnittliche Stundenbruttolohn für Frauen liegt bei 17,72 Euro, während Männer durchschnittlich 22,16 Euro brutto in der Stunde verdienen. Das macht eine Differenz von 4,44 Euro aus. Damit liegt Deutschland deutlich über dem Durchschnitt der EU (15%).

Dabei fällt der Gender Pay Gap je nach Branche sehr unterschiedlich aus. So liegt er im Handel bei 21%, im Gesundheits- und Sozialwesen sogar bei 25%.

Unbereinigter vs. Bereinigter Gender Pay Gap

Die Gründe sind umstritten: Die einen sind der Meinung, Frauen würden bloß die schlechter bezahlten Jobs auswählen. Andere sind davon überzeugt, dass ein Teil des Verdienstunterschieds noch immer durch eine geschlechtsbedingte Diskriminierung zu erklären ist.


Die Analyse des Statistischen Bundesamts zu ursächlichen Faktoren des Verdienstgefälles zeigt, dass tatsächlich 71 % strukturbedingt sind. Rund drei Viertel des Verdienstunterschieds sind demnach unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen öfter in Branchen arbeiten, in denen die Bezahlung geringer ausfällt. Zudem erlangen sie seltener Führungspositionen und arbeiten öfter in Teilzeit als Männer.


29% der Lohnlücke entsprechen somit dem bereinigten Gender Pay Gap. Auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation verdienen Frauen also dennoch 6% weniger als ihre männlichen Kollegen.


Laut der Equal Pay Studie 2020 fühlen sich 62% aller Beschäftigten in Deutschland unfair bezahlt. Davon fühlen sich 26,4 % der Frauen wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Im Vergleich dazu sahen nur 0,4% der Männer ihr Geschlecht als Grund für eine ungerechte Bezahlung an.



Über 45% der befragten Frauen gaben an, dass sie das Entgelttransparenzgesetz nutzen möchten.

EU plant Anspruch auf Schadensersatz bei ungleicher Bezahlung von Frauen

Seit dem 6. Januar 2018 ermöglicht das Entgelttransparenzgesetz den Beschäftigten in einem Unternehmen von mehr als 200 Mitarbeitern eine individuelle Auskunft zu beanspruchen, um die wohlmögliche Verdienstdiskriminierung zu überprüfen.


Nun möchte die EU-Kommission noch mehr Transparenz für Gehälter schaffen und Frauen helfen, sich gegen eine ungleiche Bezahlung zu wehren. Demnach sollen künftig Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten jährlich im Internet veröffentlichen, wie viel bei ihnen Männer mehr verdienen als Frauen. Die Veröffentlichung der Daten reicht der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová, jedoch nicht: Ist die Differenz der Gehälter bei vergleichbaren Aufgaben und Qualifikation größer als 5%, so soll das jeweilige Unternehmen dazu verpflichtet sein, die Gründe dafür zu analysieren, darzulegen und unverzüglich konkrete Vorschläge zu machen, wie diese Lücke geschlossen werden kann.


Steht fest, dass Arbeitnehmerinnen beim Gehalt benachteiligt wurden, so sollen sie zudem unbegrenzten Anspruch auf Schadensersatz bekommen. Die Beweislast liegt dann beim Unternehmen, das aufzeigen muss, warum eine ungleiche Bezahlung gerechtfertigt ist. Gegenstand soll hier nicht nur der versäumte Lohn, sondern auch entgangene Aufstiegsmöglichkeiten, sowie die reine Erfahrung der Benachteiligung selbst sein.


Der Entwurf wurde bereits eingereicht. Wenn das Europaparlament und die Mitgliedstaaten zustimmen, treten die neuen Regeln wohlmöglich schon bald in Kraft.

Am 10. März ist Equal Pay Day

Am 10. März ist „Equal Pay Day“ und das Datum ist nicht umsonst gewählt. Rechnet man den Prozentwert der Gehaltslücke in Tage um, so arbeiten Frauen 69 tage – vom 1. Januar bis zum 10. März – umsonst.  Der Termin gibt also symbolisch an, bis zu welchem Tag im Jahr Frauen praktisch unbezahlt gearbeitet haben, obwohl sie die gleiche Arbeit wie Männer leisten, die bereits seit dem 1. Januar bezahlt werden.

Letztes Jahr fiel dieser wichtige Tag auf den 17. März. Die positive Nachricht: der Equal Pay Day hat sich nach vorne verschoben. Je früher das Datum im Jahr liegt, desto gerechter geht es in unserer Arbeitswelt zu.


19% sind jedoch immer noch zu viel!